Kettcar – Ich vs. Wir
Von Christian Schmitz-Linnartz
Grand Hotel Van Cleef – VÖ: 13. Oktober 2017
Als Fan dieser Band fieberte man fünf Jahre auf dieses Album. Die Soloplatte von Marcus Wiebusch mit dem epochalen “Der Tag wird kommen” setzte(n) Maßstäbe.
Umso mehr ernüchtert “Ich vs. Wir” beim ersten Durchhören.
Bei Kettcar wird immer mehr rezitiert und weniger gesungen. Immer weniger Handyfeuerzeuge, die es an die Landungsbrücken schaffen, wo es ‘money left to burn’ gibt und dann doch alles “anders als gedacht” kam.
Nach dem ersten Eindruck haben nur wenige Songs Ohrwurmcharakter. Der Refrain von “Benzin und Kartoffelchips” sticht diesbezüglich ein wenig heraus. “Trostbrücke Süd” beginnt äußerst bemüht und mündet in einen angenehmen Schlussrefrain, bevor es abbricht.
Und die Texte? Die sind wie immer immer wage, oft zu wage, als dass man Aha-Effekte daraus ziehen könnte. Man verstehe mich nicht falsch, “Sommer ’89” ist ein fantastischer Song, der eine Geschichte erzählt. Daniel Gerhardt lässt sich in “Die Zeit” über den Text von “Sommer ’89” in einer Weise aus, die dem keinesfalls gerecht wird. Denn der Text ist ein Song ohne erhobenen Zeigefinger. Es ist die Geschichte eines Sachverhaltes, wie er sich wirklich zugetragen haben könnte. Die letzte Strophe schafft noch einmal ein Korrektiv und lässt für jeden eine eigene Conclusio zu und das ist auch gut so.
Überhaupt sind “Kettcar” inzwischen mehr als relevant geworden für das Feuilleton. So lässt der Spiegel die Platte hochleben.
Man kann es auch anders sehen. Für jemanden, der Kettcar wegen der Gitarrenwände, der Stimmung und der Melodien schätzt, liegt leider nicht viel mehr als eine mäßige Platte vor.
Denn “Ich vs. Wir” klingt weitestgehend wie der Versuch, alles andere als schlechte Texte irgendwie in Musik verpacken; aber eben “Irgendwie”!
Es mag sein, dass sich dieses Album noch entfaltet, nur leider glaub ich nicht daran.
Wertung: